Weiterentwicklung der Lageklassenmethode

Weiterentwicklung der Lageklassenmethode

Die Lageklassenmethode ist eine Schweizer Besonderheit. 1958 entstanden, wurde das Modell nur geringfügig weiterentwickelt, obwohl die Landwerte im Kanton Zürich seit 1974 um 557% gestiegen sind. Nun hat der Schweizer Immobilienschätzer-Verband (SIV) die Lageklassenmethode grundlegend neu gestaltet und ermöglicht damit eine Anpassung an die aktuellen Veränderungen im Immobilienmarkt.

Es war Wolfang Nägeli, der die Lageklassenmethode in seiner ersten Buchausgabe «Wertberechnung des Baulandes» 1958 erarbeitet hat. Durch zahlreiche systematische Auswertungen kam er zum Schluss, dass der Landwertanteil bei vergleichbaren Liegenschaften in einer ganz bestimmen Relation zum Gesamtwert steht. Er bestimmte acht Lageklassen, bei denen sich ein durchschnittlicher Landwertanteil von 6.25% im Verhältnis zum Gesamtwert ergab. Die Lageklassenmethode hat auch heute noch einen hohen Stellenwert bei der Ermittlung des Landwerts.

Grenzen und Herausforderungen der Lageklassenmethode

Die Lageklassenmethode nach Wolfgang Nägeli hat einen Nachteil: Der Landwert wird vom Gesamtwert abgeleitet. Dieser stellt jedoch einen «Zeitwert» dar, woraus sich indirekt eine «Entwertung» auf dem Landwert ergibt. Ein Gebäude mit einer sehr hohen Entwertung ergibt einen tiefen Gesamtwert und damit einen tiefen Landwert. Diese Erkenntnis führte dazu, dass die Berechnung des Landwerts heute nicht mehr vom Gesamtwert, sondern vom Gebäudeneuwert erfolgt. In der Folge entwertete sich in einer Bewertung nur der Gebäude-, nicht aber der Landwert. Liegt der Gebäudezeitwert bei null, bleibt noch der Landwert.

Neues Lageklassenmodell nach SIV

Im Unterschied zur bisherigen Methode dient die neue Lageklassentabelle nicht zur Bestimmung einer Lageklasse, sondern zur direkten Bestimmung des Prozentanteils des Landwerts am Gesamtwert.

Nach wie vor bilden fünf Kriterien den Wertanteil des Grundstücks:

1.         Gemeindetyp (Kategorien)

2.         Nutzung

3.         Image der Ortschaft / des Stadtquartiers

4.         Relative Steuerbelastung

5.         Mikrolage

1.    Raumtyp Gemeinde

Jeder Kanton wird gemäss Bundesamt für Statistik (BFS) einem Raumtyp (z.B. Kleinzentren) und jede Ortschaft einer «Agglomeration» (z.B. Kern ausserhalb von Agglomerationen) und einem «Gemeindetyp» bzw. «Kategorien» (z.B. Städtische Dienstleistungsgemeinde) zugeordnet. Basis für die Bestimmung des Landwertanteils in der neuen Lageklassenmethode bildet der Gemeindetyp. SIV führt nur zehn Gemeindetypen zur Auswahl auf, obwohl das BFS die Gemeinden in 25 Kategorien bzw. neun Raumtypen aufteilt. Die zehn Einstufungen von SIV sind weder mit den Kategorien noch mit den Raumtypen identisch. Dies hat zur Folge, dass die Orte den Gemeindetypen in der neuen Lageklassenmethode nur schwer zugeordnet werden können. Es gibt einerseits viel mehr Kategorien bzw. weniger Raumtypen, und die Bezeichnungen gemäss BFS bzw. SIV korrespondieren nicht miteinander. Der Experte muss also interpretieren.

Je nach Gemeindetyp wird ein unterschiedlicher Prozentanteil des Landwerts vorgegeben. Dabei gilt für Grosszentren nicht derselbe Prozentsatz. Gemäss der neuen Lageklassenmethode beträgt der Anteil in der Stadt Genf 53%, in Zürich 46%, in Basel 38.5% und in Bern noch 30.5 Prozent.

2.    Nutzung

Der Wertanteil für die Nutzung erfolgt nicht mehr detailliert nach den zehn Stufen der Bauzone, sondern nur noch über die drei Nutzungsarten. Bei der Lageklassentabelle Wohnen sind dies Mehrfamilienhaus mit Mietwohnungen (0%), Mehrfamilienhaus mit Eigentumswohnungen (+5%) und Einfamilienhaus (+7%), bei der Lageklassentabelle Geschäft sind es die drei Kategorien Büro (0%), Verkauf (+11.5%) oder Gewerbe (-23.0%).

3.     Image Ortschaft /Quartier

Das Image der Ortschaft oder des Quartiers erfolgt über eine individuelle Einschätzung des Experten nach neun möglichen Kriterien, die von sehr bescheiden (-5.5%) bis hervorragend (+11.0%) reichen.

4.    Relative Steuerbelastung

Die relative Steuerbelastung wird im Verhältnis zur kantonalen Steuerbelastung und ebenfalls nach neun möglichen Kriterien eingeschätzt. Die Steuerbelastung kann als sehr hoch (-4.0%) bis sehr gering (+6.0%) beurteilt werden. Die Einstufung nach den neun Kriterien liegt ebenfalls im Ermessen des Experten.

5.    Mikrolage

Auch die Mikrolage muss vom Experten individuell und nach neun möglichen Kriterien eingeschätzt werden. Die Einschätzung kann von ungeeigneter Lage (-6.0%) bis beste Lage (+7.0%) erfolgen.

Schlussfolgerungen / kritische Würdigung

Grundsätzlich wird eine Anpassung der Lageklassenmethode als Marktbedürfnis erachtet, weil die alte Lageklassenmethode die aktuellen und regionalen Marktverhältnisse nicht berücksichtigt.

Die neue Lageklassenmethode gewichtet die Lage über den Gemeindetyp (Makrolage) und die Mikrolage, das Image und die relative Steuerbelastung. Es bleibt offen, ob die Beurteilung der Mikrolage nicht auch schon das Image des Quartiers beinhaltet. Die Einschätzung der Gemeinde über den Gemeindetyp wird als sinnvoll erachtet. Allerdings ist die Bestimmung im konkreten Fall schwierig, weil die zehn Gemeindetypen der Lageklassenmethode nur eingeschränkt mit den 25 Kategorien des Bundesamtes für Statistik übereinstimmen.

Der Nutzung wird in der neuen Lageklassenmethode eine untergeordnete Gewichtung beigemessen. Die Einschätzung des Marktverhältnisses fehlt gänzlich, was als Nachteil erachtet wird, weil alle Lagefaktoren «positiv» sein können, das Objekt aber dennoch ein schlechtes Marktverhältnis haben kann, weil es zum Beispiel wegen einer Nutzniessung oder eines Wohnrechts belastet ist.

Für die «Grosszentren» Zürich und Genf wird ein Landwertanteil von 46 respektive 53 Prozent vorgegeben. Interessant ist, dass Fahrländer Partner (FPRE) die «inneren Werte von Bauland für Mehrfamilienhäuser» für eine «beste Lage» in Zürich mit 4740 bis 5510 Fr./m² und in Genf mit 12’150 bis 14'115 Fr./m² markant unterschiedlicher eingeschätzt.

Die Einschätzung der Nutzung erfolgt bei den Wohnimmobilien vereinfacht mit MFH mit Mietwohnungen, MFH mit Eigentumswohnungen bzw. Einfamilienhaus oder bei Geschäftsliegenschaften mit Büro, Verkauf und Gewerbe. Hier fehlen weitere Nutzungen wie Spitäler, öffentliche Gebäude, Einkaufszentrum, Bauzonen mit hohen Ausnützungsziffern oder Grundstücken ausserhalb der Bauzone.

Die weiteren Bewertungskriterien sind Image des Quartiers, die relative Steuerbelastung und die Mikrolage mit jeweils neun Kriterien. Obwohl diese grosse Auswahl eine sehr differenzierte Einschätzung ermöglicht oder eine kleinere Auswahl nicht einfacher und ebenso genügend wäre? Dieser Kritikpunkt gilt vor allem für die Bemessung der relativen Steuerlast, weil hierfür die notwendigen Angaben zu einer solch präzisen Einschätzung fehlen. Zudem wird der Bezug der Steuerlast innerhalb des Kantons als nicht zweckvoll erachtet. Im innerkantonalen Vergleich hat der Bezirk Einsiedeln zum Beispiel eine hohe Steuerlast, obwohl sie im Vergleich zum Kanton Zürich immer noch tiefer liegt und somit die hohe Attraktivität der Gemeinde aufzeigt.

Die Bestimmung der fünf Kriterien in der neuen Lageklassenmethode bedingt in vier von fünf Punkten eine persönliche Einschätzung des Experten. Nur bei der Gemeinde kann auf die Gemeindetypen des Bundesamtes für Statistik abgestützt werden.

Zwar verlangt die Festlegung der alten Lageklassen ebenfalls eine individuelle Einschätzung, doch die Parameter sind klarer definiert und engen die Auswahlmöglichkeiten ein. Dagegen lässt die neue Lageklassenmethode viel Einschätzungsspielraum offen, was zwar im Sinne der Verfasser, nicht jedoch das Ziel einer nachvollziehbaren Bewertung sein kann.

B&O IMMO GmbH, April 2021 

Quellen: Lageklassen 2019/2020, SIREA Themenheft Immobilienbewertung 04; Das Schweizer Schätzerhandbuch, Schweizerische Vereinigung Kantonaler Grundstückbewertungsexperten SVKG, 2019

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