Eine Portfoliobewertung sagt mehr als 1000 Einzelbewertungen – oder doch nicht?

Pensionskassen, Versicherungen, Immobilienfonds, Immobiliengesellschaften und Anlagestiftungen besitzen in der Schweiz Immobilien im Wert von über 250 Mrd Schweizer Franken. Hinzu kommen die öffentliche Hand, SBB, Post und Private als weitere Eigentümer. Die meisten dieser Immobilien werden jährlich wiederkehrend bewertet. Bei einem angenommen durchschnittlichen Immobilienwert von CHF 10 Mio. pro Objekt ergibt dies rund 25’000 Bewertungen pro Jahr.

Was ist eine Portfoliobewerung?

Kaspar Fierz definiert in „Der Schweizer Immobilienwert“ die Portfoliobewertungen als Bewertungen grosser Bestände gleichartiger Liegenschaften auf der Basis minimaler Informationen, d.h. insbesondere ohne fachkundigen Augenschein. In der Theorie zum CAPM-Modell von Markowitz wird die Portfoliobewertung als Betrachtung der Wechselwirkung einzelner Portfoliobestandteile im Sinne einer modernen Portfoliotheorie gesehen. In wissenschaftlicher Hinsicht mögen beide Definitionen ihre Richtigkeit haben. Allgemein versteht man unter einer Portfoliobewertung jedoch nichts anderes als eine Vielzahl von Einzelbewertungen zur Bewertung aller Immobilien eines Eigentümers.

Bewertungsmethoden

In der Schweiz hat sich die Einzelbewertung fast ausschliesslich durchgesetzt und gilt als „best practice“. Dabei geht meist vergessen, dass es eigentliche „Portfoliobewertungsmethoden“ gibt. Im Ausland haben diese Bewertungsmethoden einen höheren Stellenwert, weil dort Immobilienportfolios gut und gerne mal aus mehreren tausend Immobilien bestehen können. In der Schweiz sind solche Grössen unbekannt.

Beim „Stichprobenverfahren“ werden einzelne Liegenschaften aus dem Portfolio ausgewählt, um damit ein möglichst repräsentives „Miniportfolio“ zu bilden. Jede dieser einzelnen Liegenschaft wird in der Folge bewertet und das Ergebnis analysiert, Rückschlüsse gezogen und die Ergebnisse aus den Einzelbewertungen auf das ganze Portfolio „hochgerechnet“. Je nach Stichprobengrösse und Repräsentativität des Musterportfolios, kann der Aufwand und der Zeitfaktor, aber insbesondere die Aussagekraft stark beeinflusst werden. In jedem Fall stellt diese Methode einen hohen wissenschaftlichen Anspruch dar.

Schematische Darstellung eines Stichprobenverfahrens für eine Portfoliobewertung

Bei der eigentlichen „Portfoliobewertung“ handelt es sich um die Bewertung mit hedonischen Modellen. Auf der Basis von mehr oder weniger umfassenden Eingabeparametern (Zahlen der Erfolgsrechnung, Gebäudevolumen, Gebäudeversicherungswert, Grundstücksgrösse, Nutzflächen etc.) werden Annahmen für die Zukunft getroffen und die einzelnen Immobilienwerte berechnet. Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass mit einem vertretbaren Aufwand grosse Immobilienportfolios mit mehreren hundert oder tausend Objekten in überschaubarer Zeit bewertet werden können. Weil die Bewertungen meist nur auf der Basis von pauschalisierten Annahmen geschieht, sind Wertabweichungen auf Einzelobjektstufe nicht auszuschliessen. Auch dieses Bewertungsverfahren weist eine hohe Komplexität auf und ist ohne Softwareprogramm nicht zu lösen.

Rahmenbedingungen

Je nach Art des Immobiliengefässes unterliegen diese einer gesetzlichen Regelung (KAG/KKV) oder sonstigen Normen oder Empfehlungen (SIX, FINMA, SFA). Hinzu kommen die Rechnungslegungsnormen (OR, Swiss GAAP FER, IFRS/IAS). Es gehört zu den Pflichten des Bewertungsexperten, dass er weiss, welche Anforderungen sich aus diesen Gesetzen und Normen ergeben. Er muss erkennen, ob zum Beispiel das Prinzip des „Highest and best use“ nach IFRS 13 angewendet werden kann oder muss. Weitere Fragestellungen können sich aus der Bewertung von „angefanenen Bauten“ (Bewertung „at cost“ oder zum „Marktwert“), der Anwendung der richtigen Bewertungsmethode (statisch vs. dynamisch, Substanz- vs. Ertragswertschätzung, Einzel- vs. Sammelbewertung) ergeben.

Die wichtigsten Erkenntnisse aus den erwähnten Gesetzen und Normen sind: Sammelbewertungen widersprechen den Rechnungslegungsnormen und sind auch nicht „best practice“. Das Prinzip des „highest and best use“ muss dann angewendet werden, wenn eine Bilanzierung nach IFRS/IAS erfolgt, ansonsten kann, muss diese Betrachtungsweise aber nicht erfolgen. Ist das Immobiliengefäss dem IFRS/IAS oder dem KAG/KKV unterstellt, sind angefangene Bauten zum „Marktwert“ zu bewerten. Ansonsten ist eine Bilanzierung „at cost“ solcher Bauten während der Erstellung möglich. „Best practice“ ist zudem, dass eine Besichtigung mindestens alle drei Jahre, nach einer umfassenden Sanierung, nach der Fertigstellung oder sonstigen wesentlichen Veränderungen stattfindet.

Herausforderungen

Ob sich ein Portfoliowert aus 2, aus mehreren hundert oder tausend Einzelbewertungen zusammensetzt, die Bewertungen müssen in Bezug auf die Annahmen vergleichbar sein. Die grössten Herausforderungen ergeben sich beim Diskontsatz, dem Mietertragspotenzial und den Investitionen. Nur ein professionelles Diskontsatzmodell mit wissenschaftlich oder statistisch hinterlegten Parametern stellt sicher, dass zum Beispiel ein Makrostandort einerseits, aber vor allem im Vergleich mit einer anderen Gemeinde, richtig eingeschätzt wird. Hierzu ist die Verwendung eines der zahlreichen Gemeinderatingtools unerlässlich.

Eine weitere grosse Herausforderung ergibt sich aus dem Umfang und dem Aufwand für eine Portfoliobewertung sowie der Datenmenge. In der Regel hat eine Portfoliobewertung in einem Zeitraum von zwei bis drei Monaten zu erfolgen. Entsprechend sind für diese Zeit die notwendigen Ressourcen freizustellen. Die letzte Herausforderung liegt in der Verarbeitung der Datenmenge und kann nur mit einer professionellen Bewertungssoftware gemeistert werden. Nur so ist es möglich, die notwendigen Datenim- und –exporte, Wertzusammenstellungen, Auswertungen und Statistiken auf Knopfdruck und kundengerecht zu erstellen.

Schlussfolgerungen

Einzelgutachten mit Hilfe der DCF-Methode als Basis von Portfoliobewertungen sind in der Schweiz „best practice“ und erfüllen die Anforderungen an die Rechnungslegungsnormen. Das Stichprobenverfahren eignet sich höchstens für eine erste Prüfung eines Portfolios, weil aus zeit- oder kostengründen keine tiefere Betrachtung geplant oder möglich ist. Die Portfoliobewertung mit hedonischen oder sonstigen standardisierten Modellen wird bei ganz grossen Immobilienbeständen angewendet. Hier ergeben sich jedoch erhöhte Anforderungen bezüglich den Rechnungslegungsnormen. Eine Portfoliobewertung als Basis für die Bilanzierung setzt sicht somit immer aus Einzelbewerungen zusammen. Je nach Portfolio können dies mehrer hundert Bewertungen sein.

B&O IMMO GmbH, April 2022

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